Corona-Virus und Arbeitsrecht

Antworten auf 10 wichtige Fragen

1. Besteht ein Anspruch auf Vergütung, wenn der Arbeitgeber aufgrund von Corona den Betrieb schließt oder von der Arbeit freistellt?

In beiden Fällen: Ja. Bei der Freistellung bleibt der Anspruch auf die Gegenleistung, nämlich das Gehalt oder den Lohn, in voller Höhe erhalten. Im Falle einer Betriebsschließung behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch, sofern er arbeits- und leistungsbereit ist. Dies ergibt sich aus § 615 BGB.
Wenn hier in der männlichen Form geschrieben wird, sind stets alle Geschlechter gemeint.

2. Besteht ein Vergütungsanspruch, falls Arbeitnehmer aus Furcht vor einer Ansteckung nicht zur Arbeit erscheinen?

Nein. Gemäß § 326 Abs. 1 BGB verliert der Arbeitnehmer in diesem Fall den Vergütungsanspruch und fehlt darüber hinaus unentschuldigt. Ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht besteht nicht. Das Fehlen kann bis zu einer Abmahnung oder Kündigung führen.

3. Besteht ein Anspruch auf Arbeit im Homeoffice?

Nein. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, wonach der Arbeitsort nach Hause verlegt werden könnte, besteht nicht. Mit anderen Worten: Der Arbeitnehmer kann seine Arbeitsverpflichtung nicht an einem anderen Ort erbringen, als im Arbeitsvertrag vorgesehen und vom Arbeitgeber angewiesen; es sei denn, es wird eine andere Vereinbarung geschlossen. Eine befristete Vereinbarung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes kann aus Sicht beider Vertragsparteien in der derzeitigen Situation sinnvoll sein. Die Befristung sollte eine kalendermäßige Höchstbefristung beinhalten. Darüber hinaus kann erwogen werden, sich beispielsweise an der Schließung von öffentlichen Einrichtungen – wie etwa Schulen – für die befristete Homeoffice-Tätigkeit zu orientieren. Die Befürchtung einer Corona-Infektion dürfte insoweit ein tauglicher Sachgrund für die Befristung sein. Unbefristete Homeoffice-Arbeitsverträge sollten möglichst nicht geschlossen werden, da hier die Kündigung der einzelnen Arbeitsbedingung anschließend mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Einmal Homeoffice – immer Homeoffice könnte hier die unerwünschte Nebenfolge sein.
Beachten Sie: Die Befristung sollte immer schriftlich vereinbart werden. Der Vertrag sollte vor Aufnahme der Heim – Tätigkeit unterzeichnet werden!
Zwar ist die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen nicht zwingend schriftlich vorzunehmen (anders als befristete Arbeitsverträge). Die Schriftform ist aber dringend anzuraten.

4. Erhält der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung im Falle einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Erkrankung?

Selbstverständlich wird Entgeltfortzahlung nach den Vorschriften gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz für die Dauer von sechs Wochen gewährt, soweit keine arbeits- oder tarifvertraglich längeren Fristen gelten. Für freie Mitarbeiter und Geschäftsführer gelten diese Ansprüche nicht automatisch.

Sofern der betroffene Arbeitnehmer gemäß § 31 S. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) mit einem beruflichen Tätigkeitsverbot belegt worden ist, erhält der Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch infolge des Tätigkeitsverbotes gemäß § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz. In diesem Fall übernimmt der Staat den Verdienstausfall für die Dauer von sechs Wochen, § 56 Abs. 2 und Abs. 3 IfSG. Der Arbeitgeber tritt dabei in Vorleistung und kann sich die Beträge vom Staat auf Antrag erstatten lassen. Zahlt der Arbeitgeber nicht, kann der Arbeitnehmer den Antrag auch selber stellen.

Die Tätigkeitsuntersagung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes geht einer individuellen Arbeitsunfähigkeit nach herrschender Meinung vor. Ähnliches gilt beim Verdacht einer Ansteckung.

Soweit das Tätigkeitsverbot behördlich angeordnet wurde, gelten dieselben Regelungen. Der Grund für die Arbeitsverhinderung ist dann nicht die möglicherweise bestehende Erkrankung infolge der nicht sicher festgestellten Ansteckung, sondern das behördliche Tätigkeitsverbot.

Ebenso wie die Fälle des individuellen Tätigkeitsverbotes sind gemäß § 30 IfSG die Fälle der Quarantäne zu behandeln. Steht ein Arbeitnehmer unter Quarantäne, besteht ein Entschädigungsanspruch gemäß § 56 IfSG.

5. Besteht bei einer behördlichen Betriebsschließung der Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer?

Diese Frage ist nicht mit letzter Eindeutigkeit zu beantworten. Nach der bereits vom Reichsgericht entwickelten Betriebsrisikolehre sind Betriebsunterbrechungen infolge von Umständen, die aus der Sphäre des Arbeitgebers herrühren, auch hinsichtlich des finanziellen Risikos vom Arbeitgeber zu tragen.

Nicht zum Betriebsrisiko gehören jedoch allgemeine Gefahrenlagen wie Kriege, Unruhen und Terroranschläge. Hierzu werden in der Literatur auch teilweise Epidemien gezählt. Im Falle von behördlich angeordneten Betriebsschließungen ist also eine Einzelfallprüfung hinsichtlich der Entgeltfortzahlungsansprüche notwendig. In jedem Fall müssen gerade im Fall von Betriebsschließungen auf behördliche Anordnung die Anträge auf Erstattung von Arbeitsentgelt nach dem Infektionsschutzgesetz dringend und sofort gestellt werden, um unnötige finanzielle Belastungen zu vermeiden.

6. Besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung des Arbeitnehmers, wenn beispielsweise die Kita schließt und der Arbeitnehmer die Kinderbetreuung leisten muss?

Dieser Fall fällt nicht unter das Infektionsschutzgesetz, da die Betriebsschließung nicht den Arbeitsort trifft, sondern nur mittelbar wirkt. Der Arbeitgeber ist aber in der Regel nach § 616 BGB für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Verhältnismäßig nicht erhebliche Zeiträume sind gemäß § 2 Abs. 1 Pflegezeitgesetz Zeiträume von bis zu zehn Tagen im Jahr pro Erziehungsberechtigten.

Umstritten ist, ob dieser Anspruch auch besteht, wenn die Verhinderung von vornherein für einen längeren Zeitraum als zehn Tage zu erwarten ist, weil der Kindergarten für z. B. zwei Wochen schließt. Das Gesetz spricht hier davon, dass die Entgeltfortzahlung nur besteht, „wenn“ der Arbeitnehmer vorübergehend verhindert ist und nicht „soweit“ der Arbeitnehmer vorübergehend verhindert ist. Die Vorschrift von § 616 BGB kann auch arbeitsvertraglich ausgeschlossen werden. Dies muss anhand des Vertrages überprüft werden.

7. Erhält der Arbeitnehmer Sozialleistungen, wenn er wegen Kita-Schließung nicht arbeiten gehen kann?

Besteht kein Anspruch nach § 616 BGB, so können die betroffenen Arbeitnehmer weder auf sogenanntes Pflegeunterstützungsgeld gemäß § 44 a Abs. 3 SGB XI noch auf Krankengeld wegen der Erkrankung des Kindes gemäß § 45 SGB V bestehen. Denn in beiden Fällen ist das Kind weder krank noch pflegebedürftig.

Anders liegt der Fall, wenn das Kind für zehn Tage erkrankt ist, dann kann für Kinder bis 12 Jahre Krankengeld durch die Krankenkasse gezahlt werden.

8. Welche Vorsichtsmaßnahmen muss der Arbeitgeber in Bezug auf Corona/Covid 19 einleiten?

Den Arbeitgeber treffen arbeitsrechtliche Schutzpflichten zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer. Dies gilt umso mehr, als ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers wegen der generellen Corona–Epidemie grundsätzlich nicht besteht. Das heißt, der Arbeitnehmer ist in der Regel verpflichtet, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen, solange nicht Leistungsverweigerungsrechte bestehen.

Der Arbeitgeber ist auch deswegen verpflichtet, zumutbare und effiziente Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhalten/herzustellen. Das kann von der Bereitstellung von Desinfektionsmitteln bis zu Hinweisen und anderen Schutzmaßnahmen reichen, die ein Infektionsrisiko vermindern können. Zu beachten ist, dass Maßnahmen des Arbeitgebers, um die Hygiene im Betrieb aufrechtzuerhalten, wie beispielsweise Verpflichtung zum Tragen eines Mundschutzes, unter Umständen mitbestimmungsrelevant sein können. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ist hier deshalb anzuraten.

Entscheidet sich der Arbeitgeber für eine Freistellung wegen der Gefahr der Ansteckung am Arbeitsplatz, so behält der Arbeitnehmer den Vergütungsanspruch. Ob auch ein Anspruch des Arbeitsnehmers auf tatsächliche Durchführung der Beschäftigung besteht, darf angesichts der aktuellen Situation bezweifelt werden.

9. Sollten Arbeitnehmer, die aus Risikogebieten, wie China oder Italien oder anderen Gefahrengebieten zurückkehren, beschäftigt werden?

Datenschutzrechtlich ist schon problematisch, hier überhaupt die Ursachen für eine etwaige Freistellung preiszugeben. Sinnvollerweise sollten zurückkehrende Arbeitnehmer für eine bestimmte Dauer, die zweckmäßigerweise mit Gesundheitsämtern oder Betriebsärzten abzustimmen wäre, von der Arbeit freigestellt und einem Test unterzogen werden.

10. Kann der Arbeitgeber aufgrund von Corona Kurzarbeitergeld beantragen?

Die Bundesagentur für Arbeit hat in einer Pressemitteilung vom 28.02.2020 darauf hingewiesen, dass Kurzarbeitergeld aufgrund von Corona bedingten Arbeitsausfällen gewährt werden kann, da es sich um ein unabwendbares Ereignis oder wirtschaftliche Gründe im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III handelt.

Wir hoffen, dass Ihnen diese Hinweise ein wenig durch den beruflichen Alltag in den schwierigen Zeiten der Corona-Pandemie helfen. Für Rückfragen steht der Unterzeichner jederzeit gerne zur Verfügung. Bleiben Sie gesund!

Mit freundlichen Grüßen

V. Krane | Rechtsanwalt
Kanzlei Nauen und Neuruppin

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